Falsche Behauptung über Knast-Besuche: Ex-NPD-Stadtrat Böhm akzeptiert Geldstrafe

Hat Linken-Politikerin Juliane Nagel einen verurteilten Linksextremisten im Gefängnis besucht? Das hatte der ehemalige Leipziger NPD-Stadtrat Enrico Böhm behauptet – und gelogen. Ein Urteil wegen Falschbehauptung gegen ihn ist nun rechtskräftig.

Das Urteil gegen den ehemaligen Leipziger NPD-Stadtrat Enrico Böhm wegen einer Falschbehauptung zu einem angeblichen Gefängnisbesuch von Linken-Politikerin Juliane Nagel ist rechtskräftig. Böhm hat seine Berufung gegen die vom Amtsgericht verhängte Geldstrafe zurückgezogen. Das sagte ein Sprecher des Leipziger Landgerichts am Dienstag auf Anfrage.

In dem Fall wurde eine durchaus brisante Frage verhandelt: Hat Juliane Nagel den Linksextremisten Johann Guntermann besucht, als der wegen Demo-Ausschreitungen in Leipzig im Gefängnis saß? Guntermann war zu der Gefängnisstrafe im April 2018 verurteilt worden und soll später zusammen mit der noch nicht rechtskräftig verurteilen Lina E. eine linksextreme Bande angeführt und Jagd auf Neonazis in Sachsen und Thüringen gemacht haben. Seit Sommer 2020 ist Guntermann untergetaucht, inzwischen wird öffentlich nach ihm gefahndet – unter anderem auch wegen Angriffen auf Teilnehmer eines rechtsextremen Gedenkens in der ungarischen Hauptstadt Budapest.

Leipziger Amtsgericht verurteilt Böhm wegen Falschbehauptung zu Geldstrafe

Über den angeblichen Besuch von Juliane Nagel bei Guntermann in der Jugendstrafvollzugsanstalt (JSA) Regis-Breitingen hatte das vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Magazin Compact berichtet. Quelle dafür war unter anderem: Enrico Böhm. Nagel wehrte sich juristisch gegen die Berichterstattung.

Im Zuge dessen gab Böhm zu seiner Knastbesuch-Behauptung eine eidesstattliche Versicherung ab. Das Leipziger Amtsgericht hielt Böhms Aussage im August 2022 für unglaubwürdig und verurteilte ihn wegen der falschen Versicherung an Eides statt zu einer Geldstrafe von 125 Tagessätzen á 20 Euro. Mit der Rücknahme seiner Berufung gegen das Urteil akzeptierte Böhm diese Strafe nun.

Vor dem Oberlandesgericht Dresden ist Böhm wegen Bildung einer rechtsextremen kriminellen Vereinigung angeklagt. Das Verfahren wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung an einem rechtsextremen Buchhandel steht noch aus.


21.07.2023

Rechtsextremer Buchhandel: Ehemaliger Leipziger NPD-Stadtrat angeklagt

Der ehemalige Leipziger NPD-Stadtrat Enrico Böhm soll über den Verlag „Der Schelm“ verbotene Bücher verkauft haben. Er, seine Partnerin und ein weiterer Mann wurden deswegen vom Generalbundesanwalt angeklagt.

Er soll volksverhetzende Bücher verkauft und damit mehr als 800.000 Euro Umsatz gemacht haben: Der ehemalige NPD-Stadtrat Enrico Böhm ist vom Generalbundesanwalt wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie Volksverhetzung angeklagt worden. Böhm saß deswegen im vergangenen Sommer auch rund anderthalb Monate in Untersuchungshaft, bevor der Haftbefehl gegen ihn außer Vollzug gesetzt worden war. Über die Zulassung der Anklage muss nun das Oberlandesgericht Dresden entscheiden.

Der Anklage zufolge hat Böhm zusammen mit seiner Partnerin Annemarie K. und einer weiteren Person im August 2018 den Verlag „Der Schelm“ gegründet. So habe man laut Anklage einen dauerhaften Vertriebsweg für die Verbreitung volksverhetzender Schriften schaffen wollen. Die verkauften Bücher enthielten demnach überwiegend nationalsozialistische und antisemitische Inhalte, die unter anderem zum Hass gegen Juden aufstacheln und den Holocaust leugnen. Die Internetseite des Verlages ist bis heute erreichbar. Dort wird etwa weiter eine unkommentierte Ausgabe von Adolfs Hitlers „Mein Kampf“ angeboten.

Anklage: Mehr als 46.000 Bücher verkauft

Bis Dezember 2020 sollen beim „Schelm“ mehr als 46.000 Bücher mit volksverhetzenden Inhalten verkauft und damit mehr als 800.000 Euro umgesetzt worden sein. Im Dezember war ein mutmaßlicher Lagerraum des Verlages durchsucht worden. Die Ermittler fanden dort eigenen Angaben nach mehr als 47.000 weitere Bücher mit einem Verkaufswert von mehr als 900.000 Euro.

Neben Böhm und seiner Partnerin ist noch ein weiterer Mann angeklagt, der im Februar 2019 zum Verlag gestoßen sein soll – Matthias B., ebenfalls ehemaliger NPD-Politiker. Er soll sich um die Infrastruktur beim „Schelm“ gekümmert haben und seinen Mitangeklagten Anweisungen gegeben haben. Gegen eine vierte Person, in der die Ermittler einen Rädelsführer sehen, wird gesondert ermittelt. Die Gruppe soll arbeitsteilig vorgegangen sein, es seien Gehälter für die Tätigkeit beim „Schelm“ gezahlt worden. Enrico B. und Annemarie K. waren der Anklage zufolge unter anderem für den Vertrieb zuständig und organisierten den Versand.

Böhm ist mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen Körperverletzung. Im Oktober 2018 wurde er von Vermummten überfallen. Für die Attacke wurde die linksextreme Gruppe um die Leipziger Studentin Lina E. verurteilt.


Falsche Behauptung über Knast-Besuche: Ex-NPD-Stadtrat Böhm verurteilt

Ex-NPD-Stadtrat Böhm behauptete, dass Linken-Politikern Juliane Nagel einen verurteilten Linksextremisten im Gefängnis besucht haben soll. Das Amtsgericht verurteilte ihn am Mittwoch wegen falscher Versicherung an Eides statt.

Hat die sächsische Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke) den gesuchten Linksextremisten Johann G. während dessen Haftzeit im Gefängnis besucht? Der frühere NPD-Stadtrat Enrico Böhm (39) behauptete dies in einer eidesstattlichen Versicherung. Doch das entsprach nach Auffassung des Leipziger Amtsgerichts nicht der Wahrheit. Am Mittwoch wurde Böhm deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt.

Böhms Erklärung über mutmaßliche Kontakte der bekannten Politikerin zur gewaltbereiten linken Szene war durchaus brisant. Johann G. soll immerhin der Lebensgefährte von Lina E. (27) sein, die nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft die „Kommandoführerin“ einer Gruppierung an der Schwelle zum Linksterrorismus gewesen sein soll. Die Studentin steht mit drei mutmaßlichen Komplizen derzeit vor Gericht. Zwischen 2018 und 2020 sollen sie Angehörige der rechten Szene in Leipzig, Wurzen und Eisenach ausgespäht, zusammengeschlagen und erheblich verletzt haben. Angeklagt sind sie zudem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Der seit Sommer 2020 untergetauchte Johann G. wird von den Behörden zusammen mit Lina E. als Kopf der mutmaßlichen linksextremen Gruppe angesehen.

G. wurde im April 2018 vom Landgericht Leipzig wegen Landfriedensbruchs und gemeinschaftlicher versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einem Jahr und sieben Monaten Haft verurteilt. Er war der einzige Straftäter, der im Zusammenhang mit den schweren linksextremistischen Krawallen vom 15. Januar 2015 überführt und rechtskräftig verurteilt wurde. Während seiner Haftzeit in der Jugendstrafvollzugsanstalt (JSA) Regis-Breitingen soll ihn die Linken-Abgeordnete besucht haben, schrieb das vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte Compact-Magazin.

Nagel wies diese Behauptung als falsch zurück und erwirkte im Mai 2021 am Landgericht eine einstweilige Verfügung. Compact war es damit zunächst untersagt, die fragliche Behauptung über Knast-Besuche zu verbreiten. Doch das Magazin erklärte, die Unterlassungserklärung nicht abgeben zu wollen, und verwies auf das anstehende Hauptsacheverfahren. Dem Gericht wurden eidesstattliche Versicherungen von zwei angeblichen Zeugen vorgelegt: Von Enrico Böhm und von einem damals inhaftierten Bekannten, der Böhm die brisante Info gesteckt haben soll.

LKA-Beamte bestätigen Aussage nicht

Jene schriftliche Behauptung führte den massiv vorbestraften Ex-Stadtrat nun erneut auf die Anklagebank – wegen des Tatvorwurfs der falschen Versicherung an Eides statt. Als Zeugen waren zwei Staatsschützer des sächsischen Landeskriminalamtes geladen. Böhm stand wegen eines Verfahrens mit einem der Kriminalbeamten in Kontakt. Unaufgefordert habe Böhm ihm per Mail mitgeteilt, das LKA solle die Besuchsprotokolle der JSA prüfen, erinnerte sich der Beamte am Mittwoch vor Gericht, aus sicherer Quelle wolle dieser erfahren haben, dass Nagel den Linksextremisten G. hinter Gittern besucht habe.

Bei einer späteren LKA-Vernehmung im März 2021 will Böhm den Beamten gefragt haben, „ob die mir anvertrauten Informationen vom Besuch der Frau Nagel bei Herrn G. korrekt waren“. Der Vernehmungsbeamte habe dies bejaht und nachgefragt, ob Böhm eine Vermutung habe, warum man ausgerechnet ihm über einen Inhaftierten diese Informationen zukommen ließ. Doch an eine solche Gesprächssituation konnten sich die beiden Polizisten nicht erinnern. Es habe keine derartige Nachfrage von Böhm zu etwaigen Knast-Besuchen Nagels und mithin auch keine Antwort darauf gegeben, stellten die Vernehmungsbeamten klar, „es lagen dazu auch keine Erkenntnisse vor.“

Missverständnis oder bewusste Falschaussage

Böhm bestätigte am Mittwoch, dass er eine solche eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Er räumte aber ein, dass er in die Reaktion der Beamten möglicherweise „etwas hineininterpretiert“ und ein Nicken eventuell falsch verstanden habe. Er sei sich nicht mehr sicher, ob eine Antwort verbal oder nonverbal erfolgte.

Amtsrichter Sven Hartleif hielt Böhms Aussage für unglaubwürdig. Der Angeklagte sei intelligent und eloquent, könne durchaus das Verhalten anderer Menschen richtig einschätzen. Die eidesstattliche Versicherung sei zur Vorlage bei Gericht für ein erwartbares Verfahren im Zuge der Compact-Veröffentlichung erstellt worden. Der Richter verurteilte Böhm zu einer Gesamtstrafe von 125 Tagessätzen á 20 Euro. Die Staatsanwaltschaft hatte 150 x 40 Euro gefordert. Nach Überzeugung der Behörde habe der Angeklagte mit einer bewussten Falschaussage Nagel schädigen wollen. Verteidiger Arndt Hohnstädter plädierte auf einen Freispruch – es habe sich womöglich um ein Missverständnis gehandelt, die Wahrheit ließe sich nicht vollständig aufklären.

Ohne Zeugen ist das presserechtliche Verfahren für Compact offenbar aussichtslos. Wie das Landgericht auf LVZ-Anfrage mitteilte, sei ein geplanter Verhandlungstermin aufgehoben worden. Das Magazin habe inzwischen erklärt, die angegriffene Behauptung in Bezug auf Juliane Nagel zukünftig zu unterlassen.